Sonntag, 16. Dezember 2007
Die persönliche Reliquie 2: Drei Nüsse für...






Drei Nüsse

Als Kind habe ich mich immer im falschen Körper gefühlt. Oft auch in der
falschen Familie, im falschen Land, in der falschen Zeit. Habe mir gewünscht
sie hätten mich vertauscht, adoptiert oder einfach auf der Strasse gefunden.
Es lag nicht an meiner Familie, es lag immer an mir. Es war immer dieses
falsche Gefühl.

Ich war nie Außenseiter oder so etwas. Auch wenn ich in der Grundschule beim
Klassenfoto immer hinten, in die letzte Reihe an die Seite musste, gleich
neben die Lehrerin, der Größe wegen. Beim Manschaftswählen im Sport war ich
immer die, die übrig blieb, an der Seite stand und zusah, wie die anderen
sich darüber stritten, wer mich nun bekommt. Ich wurde gemocht, ich war nur
einfach nie klein und süß, hatte keine besondere Begabung, war einfach nur
da und habe nie bei irgendeinem Menschen einen Beschützerinstinkt geweckt.
Ein Kumpel, die immer Lustige, die Verletzungen für eigene Fehler hielt und
alles mit einem netten Lächeln oder einem lustig Spruch runterspielte. Die
berühmten schweren Knochen, eine Nase, die man als Kind nur hassen konnte,
alberne selbst genähte Latzhosen meiner Mutter, all das war immer falsch.
War nicht ich.

Vieles hat sich geändert, manches nicht. Wenn das Gefühl zu stark wird
träume ich mich einfach weg. Das kann ich gut. Dann laufe ich barfuss durch
den Wald, spreche mit Bäumen, spüre die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht
und lege mich ins feuchte Moos.

Meine Nüsse sind kein Traum. Sie sind da, schon 20 Jahre. Immer bei mir und
immer zum Werfen bereit.

Ich weiß, dass es keine Nüsse sind und ich weiß auch, dass ich nicht
Aschenbrödel bin. Aber es ist ein schönes Gefühl das sie da sind. Sie geben
mir Kraft. Sie helfen mir dabei die Richtung zu wechseln, die Fehler nicht
immer bei mir zu suchen und lassen mich ohne Wunden an den Füßen auf der
Schneide spazieren.

Wenn ich jetzt mein Reliquien-Kästchen öffne, die Augen schließe und tief
einatme rieche ich das Moos.
Danke!

Die Besitzerin der Reliquie möchte anonym bleiben.

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Das ist aber schön!!!

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Ja. Wirklich. Geht mir sehr nah.

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Oh, ist das schön! So rührend!
Das mit dem "sich wegträumen", das kenne ich sehr gut, manchmal hat es sich schon verselbständigt...

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Toll
oh wie schön

das war meine erste Reaktion als ich das gelesen habe, um dann festzustellen, dass das schon drei Leute vor mir genauso gedacht haben. Es ist aber auch wirklich schön, das kann ich nur wiederholen.

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eine be/rührende reliquie... da ich ahne, wem sie gehört, um so mehr.
hm. ich wünschte, ich hätte vier tannenzapfen... so als beruhigenden ausblick.

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Schön geschrieben!

Ich war auch gerne mal der Letzte, der im Sport gewählt wurde, hatte in der Grundschule keine richtig guten Freunde. Das war schon unschön. Irgendwie bin ich aber daran gewachsen... mein feuchtes Moos waren Bücher. Und das war dann wohl auch mein "Wegträumen". Ich hab mir immer vorgestellt, bei den Geschichten dabei zu sein...

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