Dienstag, 5. Dezember 2006
Jetzt wirds ernst
Frau Stellas Monster hat den Einschulungsbefehl bekommen und wird für Anfang des Jahres beordert bei seiner zuständigen Schule vorstellig zu werden.
Mit der flachen Hand schlägt sich Frau Stella an die Stirn, oh je, sie wollte sich doch dringend , um einen Hortplatz für ihr Monster kümmern. Hortplätze sind rar und wie soll sie normal arbeiten, wenn sie für ihr Monster keinen Hortplatz findet, wenn es nächstes Jahr zur Schule kommt.
Total verdrängt hat sie das alles.
Und jetzt die Einberufung. Das bedeutet Papiere zusammensuchen, auf Ämter und zu Ärzten rennen.
Oh Gott, oh graus!

Liebe Frau Stella, es ist doch alles halb so schlimm, das haben sie doch letztes Jahr auch schon gemacht, als die Frage aufkam, ob ihr Monster nicht vorzeitig eingeschult werden solle.
Also, holen sie einfach tief Luft und legen sie los.

Ja aber....

Kein aber!

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vier Kleider
1. Kleid
schätzungsweise aus den sechzigern des letzten Jahrhunderts. Sehr fester, grauer Stoff mit eingewirktem, golden Muster. Ein weiter Pelzkragen, vermutlich Nerz, halblange Ärmel und , zwei gestufte Röcke übereinander knielang mit schmaler Silluette.
Könnte Frau Stellas Ur-oma gehört haben.

Die Gäste trudeln nur langsam ein und unruhig stöckelt Frau Stella durch den schummrig beleuchteten Raum. Die Diskjokeys sind noch nicht da, aber zum Glück gibt es eine CD von Randy Newman Crawford (sorry), die in Endlosschleife vor sich hindudelt.
Fünfzehn Kästen Bier, vierundzwanzig Flaschen Rot- und Weisswein, achtzehn Flaschen Prosecco, je eine Stiege O- und A-Saft und Unmengen Wasser warten auf ihre Abnehmer und das Büffet wartet auf sein Essen. Auch Si. und Se., die beiden anderen Festmitbestreiter laufen herum wie Falschgeld.
Aber es füllt sich dann doch, der Saal, das Büffet und die Mägen der Gäste. Frau Stella kann nichts essen, zu aufgeregt.
Sie fliegt von hier nach dort, rennt zur Tür, wenn es klingelt, grüsst und parliert, rennt dann schnell hinter den Tresen und schenkt Prosecco aus, Anstossen, dreimal, elfmal, zigmal, Geschenke auf den Gabentisch legen, ihre Wangen glühen, ein bisschen spülen beruhigt.

2. Kleid
eindeutig aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Stabiler, dünner Baumwollstoff in einem leuchtend hellblauen Farbton mit Rosenaufdruck. U-Boot Ausschnitt (im Rücken etwas
tiefer), kurze Ärmel, sehr körperbetontes Oberteil und ein knielanger Rock mit seitlichen Schössen auf den Hüften. Kein Pettycoatunterrock.


Der Ruf nach dem kulturellen Programm wird immer lauter. Aber noch fehlt der Bass.
Die Dj,s aber sind schon gekommen und legen freundliche Barmusik auf. Auch lassen sich die Gäste noch mit dem vorzüglichen Essen besänftigen und ein angenehmes Geplapper erfüllt den Raum.
Als Frau Stella noch klein war, hat sie dieses Meer aus Stimmen geliebt und nicht all zu selten ist sie, in Jacken eingewickelt, auf einer Reihe Stühle liegend, auf diesen Stimmen davon gesegelt. Frau Stella liebt es immer noch, nur schlafen kann und will sie heute nicht.
Endlich kommt der Bass und das Kulturprogramm beginnt.

Frau Stellas Chorkneipengruppe singt Madrigale. Wunderschön und Frau Stella ist sehr gerührt.
Dann folgt eine lokalpatriodische Einlaaaache einer hessischen Freundin: Ain Gedischt uff hessisch. Frau Stella versteehd zwaaar ka Woad, abbbä des ligd net an derrre Spraach (obwohl Frau Stella nicht müde wir zu saache, sie sei ja nur aine Ingeplaggde), sonndern an ihrer Uffgereeeschtheit. Köstlisch.
Jetzt kommt sie selber an die Reihe mit einen italienischen Lied aus dem 17. Jahrhundert.( E quando ve nàndate? von Anton Francesco Tenaglia)
Mit zitternden Knieen steht sie da und singt so schön sie kann. Ein herzhaftes "Scheisse" und schallendes Gelächter unterbricht ihre Darbietung und Frau Stella sieht ihre freundliche Klavierbegleitung die Notenblätter vom Boden klauben. Nach einer kurzen Pause aber geht es weiter.
ziemlich erleichtert und glücklich verlässt Frau Stella die Bühne.
Als nächstes singt ein Freund zur Gitarre und der Saal singt mit.
Und dann, dann kommt die Tilla, die Tilla, die kein Rot mag, lieber Lillla. Die Tilla darf nicht fehlen, nicht, wenn irgendein Mitglied von Frau Stellas Verwandschaft zugegen ist. Frau Stella kann einige ratlose Blicke bei den Gästen erkennen. Frau Stella findet es lustig.

3.Kleid
ein nicht sehr altes Kleid, vielleicht neunziger Jahre, zeitloser Stil. Dunkelorangenes Unterkleid aus Baumwolle, darüber roter Tüll, mit ein paar dezenten Raffungen. Schmal geschnittenes Kleid, A-Linie, ärmellos mit Spaghettiträgern, knöchellang.

Nachdem das Programm zu Ende ist, wird die Musik aufgedreht. Frau Stella zieht durch die Menge und erntet. Sie erntet Ahhs und Ohhs. Inzwischen ist ja klar, dass sie an diesem Abend in verschiedenen Roben feiert und die Neugierde, was jetzt wohl kommen wird, wenn Frau Stella kurz verschwindet, ist entsprechend gross.
Und dann wird getanzt zur Musik der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Wild und schnell, die Liedtexte mitgrölend. Immer wieder muss Frau Stella sich ihr derangiertes Makeup erneuern. Jetzt fliesst alles Alkohol und Schweiss...

4. Kleid
ein ebenfalls nicht sehr altes Kleid, schätzungsweise auch neunziger Jahre, Schlauchkleid aus sehr feinem, elastischen Strickstoff, dunkel grau mit hauchzartem silber im Faden, ärmellos und knöchellang, seitlicher Schlitz bis zum Knie.

Viel weiss Frau Stella nicht mehr, sie weiss, dass sie viel tanzt, weiss von vielen freundlichen Gesichtern, die an ihr vorbeischweben und nette Worte sagen, weiss dass sich einige freundlich verabschieden, weiss von vielen Küssen und Umarmungen, weiss von dem schönen Gefühl, sich geliebt zu wissen, weiss, dass auch dieses Fest zuende gehen wird, aber später erst in den frühen Morgenstunden, weiss dass sie fliegt....

...bis in ihr Bett.

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